Editorial zum Referentenentwurf eines Gesetzes für eine Apothekenhonorar- und Apothekenstrukturreform

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

bereits vor vier Jahren titelten wir „Schuster, bleib bei deinen Leisten!“. Klaus Heckemann plädierte im Editorial der KVS-Mitteilungen 01/2020 dafür, dass Arzt und Apotheker nur ihren jeweilig erlernten Aufgaben nachgehen sollten. Damals ging es um das Impfen in Apotheken. Angesichts der neuen Entwicklungen aus dem Bundesgesundheitsministerium (BMG) ist das Thema aktueller denn je, sodass ich erneut an diese Redewendung erinnern möchte.

Im Juni 2024 veröffentlichte das BMG den Referentenentwurf eines Gesetzes für eine Apothekenhonorar- und Apothekenstrukturreform (Apotheken-Reformgesetz, ApoRG). Dieser sieht auch eine Erweiterung des Aufgabenspektrums öffentlicher Apotheken vor.

Diese Erweiterung betrifft u. a.:

  • die Werbung für In-vitro-Diagnostika zur Eigenanwendung und für von Apotheken durchgeführte Testungen

  • das Impfangebot

  • patientennahe Schnelltests zur Feststellung übertragbarer Krankheiten

Die Kassenärztliche Bundesvereinigung reagierte mit einer Stellungnahme, deren Inhalte die KV Sachsen vollumfänglich mitträgt.

1. Werbung

Apothekern soll die Werbung für die Durchführung von Testungen zum Nachweis von meldepflichtigen Krankheiten gestattet werden. Damit würde eine Ausnahme vom Heilmittelwerbegesetz geschaffen. Danach darf sich außerhalb der Fachkreise die Werbung für andere Mittel, Verfahren und Behandlungen als Arzneimittel oder Medizinprodukte nicht auf die Erkennung, Beseitigung oder Linderung u. a. der meldepflichtigen Krankheiten beziehen. Dieses Werbeverbot gilt für alle, auch für uns Ärzte.

Mit den geplanten Regelungen sollen nun Apotheker von diesem Verbot ausgenommen werden. Dadurch würden erhebliche Wettbewerbsverzerrungen entstehen. Testungen zur Krankheitsdiagnostik sind eine originär ärztliche Aufgabe!

2. Impfen

Schon jetzt sind Apotheken zur Durchführung von Grippe- und Coronaschutzimpfungen berechtigt. Diese Berechtigung soll auf weitere Schutzimpfungen mit Totimpfstoffen erweitert werden.

Mit den Impfungen in Apotheken wird gegen den Arztvorbehalt verstoßen. Bei Impfungen und den Begleitleistungen handelt es sich um das Ausüben von Heilkunde. Diese ist nicht ohne Grund Ärzten vorbehalten und beginnt schon mit der Anamnese: dem Ausschluss akuter Erkrankungen, Wechselwirkungen des Impfstoffes mit anderen Medikamenten, einer korrekten Aufklärung über Wirkungsweise und Risiken. All dies benötigt umfassende ärztliche Fachkenntnisse und ist Heilkunde! Und da habe ich noch nicht einmal möglicherweise notwendige Interventionen bei Impfreaktionen (bis hin zum anaphylaktischen Schock) erwähnt …

3. Schnelltests

Der Arztvorbehalt zur Feststellung übertragbarer Krankheiten soll aufgehoben werden. Zum berechtigten Personenkreis sollen auch Apotheker und deren pharmazeutisches Personal gehören. Direkte Erregernachweise bei Atemwegsinfekten (Adeno-, Influenza-, RS-Virus) und gastrointestinalen Infekten (Adeno-, Noro-, Rotavirus) sollen als Infektionsdiagnostika für „patientennahe Schnelltests“ frei verkäuflich werden. Regelungen zu einer möglichen Kostentragung durch die GKV, zur Patientensicherheit und Qualitätssicherung enthält der Referentenentwurf allerdings noch nicht …

Als wäre dies nicht schon kritisch genug, wurden einige Tage später aus dem BMG mit dem Referentenentwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Herzgesundheit (Gesundes-Herz-Gesetz, GHG) weitere geplante Maßnahmen zur Erweiterung des Apothekenangebots bekannt.

Stattfinden sollen:

  1. eine jährliche Beratung mit Messungen zu Risikofaktoren von Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Diabetes mellitus,

  2. eine jährliche Beratung mit Kurzintervention zur Prävention tabakassoziierter Erkrankungen und

  3. eine Beratung und Messungen zu Risikofaktoren zur Einschätzung des individuellen Erkrankungsrisikos für Herz-Kreislauf-Erkrankungen sowie Diabetes mellitus und weiteren Risikoerkrankungen, insbesondere der erforderlichen Blutwerte sowie des Blutdrucks bei Vorlage eines Gutscheins […] und der elektronischen Gesundheitskarte der Versicherten.“

Auch diese stärkere Einbeziehung der Apotheken in Check-up-Untersuchungen halte ich für nicht sinnvoll, denn dazu stellt sich mir v. a. die Frage: was passiert, wenn der Untersuchungswert einen Normwert über- oder unterschreitet? Der Apotheker müsste dann den Patienten zu einem Haus- oder Facharzt verweisen, der aus haftungsrechtlichen Gründen mit großer Wahrscheinlichkeit noch einmal eine Kontrolle durchführen würde. Es wäre aus meiner Sicht für die Bevölkerung zielführender, gleich die Möglichkeit der Erbringung präventiver Leistungen der ambulant tätigen Ärzte zu erweitern.

Uns liegt sehr viel daran, weiterhin mit den Apotheken als gleichberechtigte Partner zum Wohl unserer Patienten zusammenzuarbeiten. Aber beide Seiten, Arzt und Apotheker, haben ihr Fach nicht ohne Grund viele Jahre studiert und sind mit ihren Kompetenzen die Richtigen für ihre jeweiligen Aufgabenbereiche – wie der Schuster mit seinen Leisten. Übrigens: Bisher haben wir noch nicht das Dispensierrecht gefordert …

Es grüßt Sie herzlich

 

Ihre Sylvia Krug