Resolutionen zur Entwicklung wirksamer Steuerungsinstrumente der Inanspruchnahme des Gesundheitssystems, der Patientensteuerung mittels Notfallgebühr und Abschaffung der "doppelten Facharztschiene"

Entwicklung wirksamer Steuerungsinstrumente der Inanspruchnahme des Gesundheitssystems

Seitens der Politik wird den Patienten ein uneingeschränktes Leistungsversprechen zur Inanspruchnahme des Gesundheitssystems gegeben. Jedoch ist ein ungesteuerter Zugang zu allen medizinischen Leistungen weder medizinisch sinnvoll, noch personell leistbar. Dadurch entstehen unnötige finanzielle Aufwendungen, die das Gesundheitssystem zusätzlich belasten.

Zur wirksamen Steuerung der Inanspruchnahme der medizinischen Leistungen müssen verschiedene geeignete Instrumente (weiter)entwickelt und eingesetzt werden. Diese Steuerungsinstrumente sollen eine haus- und fachärztliche Grundversorgung in erreichbarer Nähe sichern, eine verbesserte Gesundheitskompetenz der Patienten schaffen sowie die Eigenverantwortung der Bürger stärken.

Begründung:

Die bisherigen Instrumente zur Steuerung haben keine große Wirkung gezeigt. Diese Instrumente waren u. a. TSS-Vermittlung, Neupatientenregelung, Hausarzt-Facharzt-Regelungen und Offene Sprechstunden. Mit dem demografischen Wandel zu einer immer älter werdenden Bevölkerung steigt auch die bislang unregulierte Nachfrage zu medizinischen Leistungen aller Art.

Aus diesen Gründen fordern wir von der politischen Ebene, die folgenden Steuerungsinstrumente weiterzuentwickeln und wirksam einzusetzen:

  • Etablierung eines freiwilligen Primärarztsystems

  • Entwicklung geeigneter Wahltarifmodelle der Krankenversicherung

  • finanzielle Anreize für die Patienten, die sich durch das System steuern lassen

  • Stärkung der Steuerungsfunktion der 116 117


Dr. med. Stefan Windau
Vorsitzender der Vertreterversammlung der KV Sachsen

– Dresden, 29. Mai 2024 –


Patientensteuerung mittels Notfallgebühr

Die Vertreterversammlung der KV Sachsen fordert die Einführung einer Gebühr in Höhe von 20 Euro für Patientinnen und Patienten, die ohne vorherige telefonische Ersteinschätzung die Notaufnahme oder eine Bereitschaftsdienstpraxis aufsuchen. Dadurch würden der Rettungsdienst, Notfallambulanzen und der Bereitschaftsdienst spürbar entlastet und insbesondere die Qualität und Schnelligkeit der Behandlung von echten Notfällen deutlich gesteigert.
Die Gebühr soll von den Krankenkassen eingezogen werden.

Begründung:

Unter der Rufnummer 116 117 wird mittels eines Ersteinschätzungsverfahrens eine Befragung des Anrufers vorgenommen, der eine medizinisch fundierte Aussage darüber erhält, ob eine Behandlung dringend stattfinden sollte. In diesem Fall wird ein Termin für die Notaufnahme oder eine naheliegende Bereitschaftsdienstpraxis vergeben.

Um einen einfachen, unbürokratischen und sozialverträglichen Einzug der Gebühr zu gewährleisten, sollte dies über die Krankenkassen erfolgen. Anteilige Gebühren bei Personengruppen mit niedrigen Einkommen wären gleichfalls über dieses System zu realisieren, da die Krankenkassen im Besitz der dafür erforderlichen Einkommensdaten sind.

Aber: Kein Patient, der den geordneten Weg geht, muss zahlen! Außerdem erspart man den Patienten, die eine Notfallbehandlung wirklich brauchen, lange Wartezeiten oder eine vermeidbare akute Verschlechterung ihres Zustands. Zudem werden Stress und Arbeitszeit von medizinischem und pflegerischem Personal reduziert – was unnötige finanzielle Aufwendungen im Gesundheitssystem vermeidet.

Denn: Unsozial ist, den Notdienst oder die Bereitschaftsdienstpraxen unangemessen in Anspruch zu nehmen! Und dass es sich dabei nicht nur um Einzelfälle handelt, zeigen zahlreiche Berichte von Verantwortlichen aus diesem Bereich.


Dr. med. Stefan Windau
Vorsitzender der Vertreterversammlung der KV Sachsen

– Dresden, 29. Mai 2024 –


Absage an Regierungskommission zur Abschaffung der „doppelten Facharztschiene“

Die Regierungskommission für eine moderne und bedarfsgerechte Krankenhausversorgung hat kürzlich eine Reihe von Empfehlungen vorgelegt, mit denen insbesondere die Sektorengrenzen zwischen dem stationären und dem ambulanten Bereich überwunden werden sollen. Zu den dort genannten mittel- und langfristigen Maßnahmen zählt unter anderem der Aufbau eines Primärarztsystems bestehend aus Allgemeinmedizinern, Internisten, Pädiatern, Gynäkologen und Psychiatern, die die Gesundheitsversorgung steuern und damit quasi die „doppelte Facharztschiene“ abbauen sollen.

Die Vertreterversammlung der KV Sachsen erteilt der Empfehlung der Regierungskommission, die doppelte Facharztschiene abzuschaffen, eine deutliche Absage.

Begründung:

Es hat schon sehr verwundert, dass sich die Bestrebungen der Bundesregierung zur aktuellen Gesundheitsreform mit den vollmundig angekündigten Zielen der Verbesserung der Effizienz und umfassenden Ambulantisierung der Versorgung im Wesentlichen nur auf den Krankenhaussektor beziehen. Man hat den Eindruck, dass zur Überwindung der sektoralen Trennung in Deutschland von Regierungsseite nur auf die Ausweitung der Versorgungsaufträge der Krankenhäuser in den ambulanten vertragsärztlichen Sektor gesetzt wird. In Sachen Ausbau der sektorenübergreifenden Kooperation von Krankenhäusern und vertragsärztlichen Leistungserbringern wie z. B. dem Belegarztwesen gab es enttäuschenderweise eine Fehlanzeige. Minister Lauterbach sprach lediglich nebulös von Überlegungen über einen „Hybridarzt“, der als Vertragsarzt auch im Krankenhaus arbeiten könne.

Die Reform beinhaltet derzeit keine Stärkung der Vertragsärzte im bereits vor Jahrzehnten vom BMG ausgerufenen Wettbewerb im Schnittstellenbereich von ambulant und stationär, im Gegenteil: Die Entwicklung der AOP- und Hybridversorgung wird maßgeblich an wirtschaftlichen Auswirkungen für die Krankenhäuser ausgerichtet, bleibt deshalb bisher in Ansätzen stecken, und mit dem sogenannten Transformationsfonds für Krankenhäuser in Milliardenhöhe für eine „systemische Umstellung“, die schon vor Jahrzehnten ohne eine solche enorme finanzielle Stützung hätte erfolgen müssen, werden die niedergelassenen Vertragsärzte – chancenlos im Wettbewerb – ins Abseits gestellt.

Warum erfolgte eine so einseitige Ausrichtung der Reform?

Jetzt erschließt sich das Ganze, denn Minister Lauterbach hat durch die von ihm eingesetzte Regierungskommission, die keinen einzigen Vertreter der vertragsärztlichen Tätigkeit aufweist, die Karten auf den Tisch legen lassen.
Die hochwertige und flächendeckende fachärztliche Versorgung in den Krankenhäusern und in den Praxen ist ein Qualitätsmerkmal des deutschen Gesundheitswesens, um das uns viele andere Staaten beneiden. Ambulante und stationäre Versorgung sind dabei sich ergänzende Systeme der Patientenversorgung, die am Patientenwohl und dem Wirtschaftlichkeitsgebot ausgerichtet werden.

Weshalb wird jetzt wieder das Gespenst von der Abschaffung einer „doppelten Facharztschiene“, die es so, wie es der Begriff bezeichnet, ohnehin nicht gibt, an die Wand gemalt? Muss es nicht vielmehr darum gehen, Fachärzte, Hausärzte und Krankenhäuser in einer stärker integrierenden Versorgung zu vernetzen und deren sektorenübergreifende Kooperation weiterzuentwickeln?

Fachärztinnen und Fachärzte in den Kliniken und in den Praxen nehmen in unterschiedlicher Weise Aufgaben für ihre Patientinnen und Patienten wahr. Die jeweiligen fachärztlichen Versorgungsebenen stellen unter sich deutlich unterscheidenden Rahmenbedingungen keine Doppelstrukturen dar, sondern sind Ausweis und Garant eines qualitativ hochwertigen, bedarfsgerechten und patientenorientierten Systems der Gesundheitsversorgung in Deutschland.
Diese nun wieder aus der Mottenkiste geholte Forderung stellt die gesamte haus- und fachärztliche Versorgung in Frage und verunsichert völlig unnötig insbesondere junge niederlassungswillige Ärztinnen und Ärzte, die den Schritt in die wirtschaftliche Selbstständigkeit gehen wollen. Das ist unverantwortlich angesichts der Nachwuchsprobleme und des Fachkräftemangels, insbesondere in den ländlichen Regionen. Mit diesem Vorschlag gefährdet die Expertenkommission die Patientenversorgung in Deutschland.

Ungeachtet der Tatsache, dass die Krankenhäuser absehbar ohnehin nicht in der Lage sind, diese fachärztliche Versorgungsaufträge kapazitiv und in der notwendigen Qualität abzusichern, erkennt – geschweige denn anerkennt – dieser unüberlegte Gedanke nicht ansatzweise die Leistung und Zuverlässigkeit der Arbeit von Fachärztinnen und Fachärzten und wird strikt abgelehnt.

Auch wenn Minister Lauterbach aufgrund der Protestwelle, die der Vorschlag verursachte, dann rasch äußerte, er plane vorerst, keine Vorschläge zur Abschaffung der doppelten Facharztschiene zu unterbreiten, da wir dazu keinen „ideologischen Streit brauchen“, hat dieser Gedanke doch durchaus strategische Überlegungen offenbart, mit denen sich viele einseitige Ansätze der Krankenhausreform auf Regierungsseite erklären lassen.

Die Ärztinnen und Ärzte der Kassenärztlichen Vereinigung Sachsen werden sehr aufmerksam verfolgen, ob die Bundesregierung zu gegebener Zeit diesen Vorschlag erneut auf den Tisch bringen lässt, und in diesen Fall einem solchen Begehren wiederum entschieden entgegentreten.


Dr. med. Stefan Windau
Vorsitzender der Vertreterversammlung der KV Sachsen

– Dresden, den 5. Juni 2024 –

Beschlussfassung im schriftlichen Umlaufverfahren nach § 2a der Geschäftsordnung der Vertreterversammlung